ZAHNKORREKTUREN - Fehlstellung der Schneidezähne bei Kaninchen
Zahn- und Kiefererkrankungen von Kaninchen sind ein zunehmend häufiger Vorstellungsgrund in unserer Praxis.
Kaninchen haben im Oberkiefer zwei Paar Schneidezähne, die hintereinander angeordnet sind. Das vordere Paar ist dabei deutlich größer und auch anders geformt als die kleinen und rundlichen Stiftzähne. Bei geschlossenem Kiefer und einer gesunden Kiefer- und Zahnstellung ruhen die unteren Schneidezähne zwischen den vorderen Oberkieferschneidezähnen und den Stiftzähnen.
Die Zähne haben keine äußerlich sichtbare, abgrenzbare Wurzel, weshalb sie oft auch als wurzellose Zähne bezeichnet werden. Sämtliche Kaninchenzähne wachsen lebenslang jede Woche etwa zwischen 1,5 mm und 1,6 mm, wobei die Wachstumsgeschwindigkeit mit dem Alter zunimmt.

Ursachen und Folgen fehlgestellter Schneidezähne
Vielfach wird vermutet, dass als Heimtiere gehaltene Kaninchenrassen aufgrund der runden Kopfform und des kleinen Schädels eine angeborene Veranlagung für Zahn- und Kiefererkrankungen aufweisen. Tatsächlich können Zahnfehlstellungen genetisch veranlagt sein und vererbt werden.
Viele Zahnfehlstellungen entstehen jedoch erst im Laufe des Kaninchenlebens durch Zahnwurzelinfektionen, durch das Nagen an Käfiggitterstäben oder durch Unfälle mit Schädeltraumata. Seltener können Schneidezahnfehlstellungen auch durch eine primäre Fehlstellung der Backenzähne hervorgerufen werden.
Darüber hinaus hat auch die Ernährung einen großen Einfluss auf die Gesundheit der Zähne. Bei einer Fütterung mit Trockenfutter benötigen die Kaninchen wesentlich weniger Zeit zur Nahrungsaufnahme und -zerkleinerung. Zeitgleich verringert sich wegen der schnellen Sättigung auch der Konsum von Heu, wodurch die Zähne nicht mehr ausreichend abgerieben werden.
Außerdem werden die Kaumuskulatur und der Zahnhalteapparat weniger beansprucht und gekräftigt, was wiederum eine Verschiebung der Zähne begünstigt.
Die Untersuchung und Behandlung fehlgestellter Schneidezähne ist unerlässlich
Die meisten Erkrankungen im Kopfbereich (z.B. Augenerkrankungen) werden durch Zahnerkrankungen herbeigeführt, aber auch Vitaminmangel und Verdauungsstörungen (z.B. eine Überwucherung mit Hefen) können auftreten.
Die Zähne selbst können zu ernsthaften Verletzungen und Abszessen an den Mundwinkel, dem Gaumens oder sogar der Nase führen. Ohne Behandlung kann es sogar zum Tod des Tieres (z.B. Hungertod, starke Entzündungen) kommen.
Diagnose und Behandlung einer Schneidezahnfehlstellung
Für die Untersuchung der Schneidezähne genügt es meistens, die Lippen des Kaninchens etwas hochzuziehen. Neben einer Fehlstellung sind auch Verfärbungen oder Querrillen Anzeichen einer Zahnerkrankung. Besteht der Hinweis auf weitere Zahn- und Kiefererkrankungen ist eine ausgedehntere Untersuchung notwendig. Eine gute Diagnosemöglichkeit stellen neben der Untersuchung mit dem Otoskop vor allem Röntgenaufnahmen dar.
Fehlgestellte Schneidezähne werden vorwiegend durch regelmäßiges Kürzen (etwa alle zwei bis sechs Wochen) behandelt. Eine Kürzung durch Schleifen der Schneidezähne mittels einer Diamantscheibe hat neben der schonenderen Kürzung den Vorteil, dass keine scharfen Kanten zurückbleiben.
Für manche Tiere ist das regelmäßige Schleifen der Schneidezähne eine hohe Belastung. Deshalb kann in Einzelfällen ein operatives Entfernen der Schneidezähne sinnvoll sein. Dies trifft besonders auf Kaninchen zu, bei denen es auch durch die richtige Fütterung zu keiner Verbesserung kommt und bei denen selbst nach der Behandlung die Zähne ein Hindernis bei der Körperpflege darstellen.
Um die Knochenstruktur des Kiefers bewerten zu können, muss vor der Operation eine Röntgenaufnahme gemacht werden. Während der Operation werden erst die Stiftzähne und anschließend die gelockerten Schneidezähne entfernt. Es sollten immer sowohl beide Unter- als auch alle vier Oberkieferschneidezähne gezogen werden. Nach der Operation muss erneut eine Röntgenaufnahme angefertigt werden, um sicherzustellen, dass sich keine Zahnsplitter mehr im Kiefer und im Zahnfleisch befinden. Falls das Keimgewebe nicht vollständig entfernt wurde, können in seltenen Fällen die Zähne wieder nachwachsen.
Üblicherweise nehmen die Kaninchen schon einige Stunden nach der Operation bereits wieder selbstständig Nahrung zu sich. Heu kann problemlos gefressen werden, während das Frischfutter mundgerechte Happen geschnitten werden muss. Bereits nach kurzer Gewöhnungszeit kommen die Kaninchen gut ohne Schneidezähne zurecht und die Lebensqualität erhöht sich meist deutlich.
Prophylaxe
Eine Vorbeugung gegen das Überwachsen gibt es bei einer Zahnfehlstellung leider nicht, allerdings kann eine entsprechende Fütterung in manchen Fällen die Zeitspannen zwischen den Behandlungsterminen verlängern.
Nagehölzer und Nagersteine aus dem Zoohandel tragen jedoch weder zu einem ausreichenden Zahnabrieb noch zu einer gesunden Ernährung bei. Die Nagehölzer sind meistens aus Hartholz, welches mit einer Zuckerlösung benetzt wurde. Die Kaninchen fressen meist nur die süße Rinde und lassen das restliche Holzstück liegen. Sinnvoller ist es, den Tieren frische, ungespritzte Zweige von Obstbäumen anzubieten. Sie sind nicht nur gesünder, sondern unterstützen auch besser den natürlichen Zahnabrieb, da Kaninchen sehr gerne an den Zweigen nagen und dadurch viel kauen. Nagersteine hingegen sind für den Zahnabrieb viel zu weich. Außerdem kann der ungeeignet hohe Mineralien- und Kalziumanteil zu Nieren- und/oder Blasensteinen führen.
Die Ernährung mit frischem Gras/Kräutern und Heu, ergänzt durch kleine Frischfutterportionen, stellt dagegen die bestmögliche Fütterung dar. Die Zähne reiben sich bei der Nahrungsaufnahme und-zerkleinerung an den jeweiligen Gegenspielern ab. Es ist also weniger die Härte des Futters, als vielmehr die Beschäftigungsdauer mit dem Futter, entscheidend für den Zahnabrieb. Die höchste Beschäftigungsdauer wird nachweislich durch die Fütterung von Gras und Wiesenkräutern sowie Heu erreicht.